Der Krebs, die Depressionen... und ach ja... Und ich...

Herzlich willkommen oder ... Raben im Nebel...

 

 

... Habt Ihr Moby Dick gelesen? "Call me Ismael..." fängt er an. Und beschreibt dann seine Irrungen und Wirrungen, seine Wege und Gedanken...

 

 

Ich würde es ihm nachtun, allein - ich habe beschlossen es hier und heute mal ohne Namen zu versuchen. Wer mich kennt, kennt meinen Namen und wer mich nicht kennt, dem sagt der Name ohnehin nichts, also wozu?

 

Ihr könnt mich daher Ugin nennen, wenn Ihr mögt, wie den einen von Odins Raben. Ein grauer Rabe, der hinausfliegt in die Welt und Euch erzählt, was er gesehen hat.

 

Ich liebe es nämlich ungeordnet zu berichten, was mir so einfällt... Und ich erzähle dann und erzähle...

 

Und manchmal sagen die Zuhörer "WOW Ugin, kannst Du wirklich soooooo hoch fliegen??? - Interessant!!! NIEMAND kann die Dinge erzählen wie Du" und sie fragen mich, wo das PROBLEM ist. Denn offenbar ist doch alles prima? Ja. Prima.

Aber manchmal fragen die Zuhörer auch, warum um alles in der Welt ich Stunden, Tage und Wochen darauf verwende einen Nebelfetzen zu beschreiben, der keinen interessiert... und sie sagen ich solle DAS weglassen, dann sei es gut so.

 

- Aber für MICH sieht das alles genau gleich aus... Der Teil, der die Menschen interessiert und der, den kaum jemand wissen will.

 

Muss der Nebel sein...

 

 

Nun, ich bin ja guten Willens und so will ich allen die bis hierhin durchgehalten haben ein wenig von dem erzählen, wovon man mir erklärt hat, dass es wichtig sei - in dieser Welt - und die Leser interessiere.  Auch wenn DAS nun WIRKLICH nicht sonderlich spannend ist...

 

Ihr könnt mich Ugin nennen, wie gesagt. Weiblich, 38 Jahre alt. Ich bin glücklich verheiratet, keine Kinder. Mit Depressionen, Zweifeln und Therapien habe ich mich schon immer herumgeschlagen, das ist ganz normal für mich. Nein, keine spektakulären Geschichten, nichts was die Bildzeitung interessieren würde. Sorry, nur mein Querkopf und ich. Ich habe nach Jahren im Beruf ein zweites Studium aufgenommen und versuche mich am Jura-Staatsexamen.

 

Langweilig? - Sag ich doch. Alles unspektakulär. Grau in grau, aber DAS sagt man wolle der Leser wissen. Nun, also, jetzt wisst Ihr's...

 

"Erzähl doch mal was spektakuläres, Ugin!!!"- Nun, ich war 36 Jahre alt, als am 16. März 2016 bei mir der Blitz einschlug: Brustkrebs. DAS ist jetzt vergleichsweise spektakulär, richtig? Ja, wirklich. Und die Chemotherapie ist wie ein giftiger Nebel über mich hereingebrochen. Sie war wirklich zum kotzen spektakulär, nahm mir fast die Luft zum atmen, fast den Willen zu leben, fast... ich weiß nicht, wie ich es durchgestanden habe, ehrlich nicht...

 

Aber...  es ist vorbei.

Also eigentlich. Alle gratulieren und erzählen mir WIE dankbar ich sein könne... Ich solle zurück in die Normaliät höre ich da...In mein altes Leben...

 

Leuchtet ein. Ich meine was sonst, richtig? DAFÜR hab ich es doch getan um als strahlende Siegerin in mein Leben zurück zu kehren. Als Heldin meiner Geschichte... Stark, tapfer und so...  Großartig, wie ich das gemacht hatte, nicht wahr?

 

Ich weiß es nicht...

 

Es ist nämlich so... Der Nebel war schon immer in meinem Kopf. Aber seit dem Krebs, sehe ich die Welt dahinter nicht mehr. Sehe nur noch den Nebel... Und falls ich früher eine Technik hatte durch die Depressionen hindurch die Welt zu sehen, wie alle behaupten, dann habe ich sie jetzt jedenfalls nicht mehr...

 

Seit dem Krebs ist alles anders. Ich kann mich kaum mehr erinnern, an den Menschen der ich gewesen bin. Er liegt im Nebel begraben. Dem giftigen Nebel einer Chemotherapie, die mich fast geschluckt hätte. Und doch vorbeigegangen ist.

Die Chemotherapie ist vorbei. Ja, wirklich.

 

"Fertig Ugin, mach einen Haken dran und vergiss den Mist!!!"

 

Tja... alle die "Sieh nach vorne" sagen, haben Recht, ich weiß ja, ich habe überlebt und sollte dankbar sein.

 

Ich sollte dankbar sein und ich BIN dankbar.

 

Und ich sollte nach vorne schauen. Und ich würd's ja gern, es ist nur... Nur...

 

Wie sieht man nach vorne, während man nicht weiß, wo das ist "vorne"? - Ich fühle mich, als sei ich - die ich früher schon herumgetaumelt bin - jetzt so oft im Kreis gedreht worden, dass ich die Orientierung vollends verloren habe.

Ich habe keine Ahnung, was von dem was ich denke und fühle nur wirre Gedanken sind. Gedanken, die vorbeiziehen werden, weil sie nur Nebelfetzen sind, die wie Gespenster aussehen. Und was wirklich wichtig ist und nur durch den Nebel unwichtig aussieht.

 

Keine Ahnung.

 

Ich weiß es nicht und wenn ich frage, dann erhalte ich die Antwort, dass ich einfach alles was Nebelgespenst ist, weglassen und alles was echt ist behalten soll...

 

Dabei ist doch die größte Frage, wie ich DAS auseinanderhalten soll...

 

Und so ist dieses blog ein Versuch ein paar der flüchtigen Nebelfetzen in meinem Kopf festzuhalten und nieder zu schreiben.

 

Für mich. Und für den Fall, dass da draußen noch jemand durch den Nebel der Welt taumelt und Geselllschaft gebrauchen kann, auch für den.

 

Ich denke manche meiner blogposts werden wichtig sein.

Manche werden unwichtig sein.

Manche werden schön sein.

Manche werden hässlich sein und manche...

ja, manche werden wohl einfach grau in grau sein, weil ich über nichts grübele...

 

"Ugin, Du denkst zu viel" sagen die Menschen. "Tu was konstruktives, los!!! Flieg irgendwo hin, besuch irgendwen, mach irgendwas, Du immer mit Deinem NEBEL, ehrlich mal!!!"

 

Ich habe es versucht, hab mein Bestes getan, Ehrenwort. - Aber ich habe mich nur wieder und wieder im Nebel verirrt. Ich kann nichts anderes sehen und wenn etwas nicht-nebeliges an mir vorbeikommt, weiß ich nicht was das ist. Sieht alles grau aus hier. Und ich weiß, dass das Moor hier in der Gegend tückisch ist und ich bin schon ein paarmal fast im Morast stecken geblieben und konnte mich nur mit letzter Kraft zurück in meine kleine Nebelhöhle hier retten.

 

Denn EINS vergessen die Menschen, die "Hör auf zu denken und tu was" sagen....

 

Ich würds ja tun, ehrlich...

 

Wenn ich nur wüsste WAS ... aber ich sehe nichts ... DAS ist ja das Problem... 

 

 

 

Nun. Jedenfalls. Ich habe mit dem Schreiben angefangen, ob es nun grau ist oder nicht, vielleicht ist das ja "etwas"...

 

Und ich freue mich immer, wenn jemanden interessiert, was ich schreibe.

 

SEHR.

 

Denn wie sagte schon Hermann Hesse in "im Nebel"? "Leben ist Einsamsein...".

 

 

Falls also jemand von Euch Lust hat, durch die Nebelschwaden zu waaten, bis er irgendwo ganz hinten eine ziemlich unspektakuläre Frau mit graublonden Haaren, graublauen Jeans, graugrüner Jacke, dicken Brillengläsern und Stimmung ganz in grau entdeckt... Das bin ich. Kommt ruhig rein, ich beiße nicht. Ich hab Tee, Plätzchen und noch mehr Nebelgeschichten für Euch. Die Gitarre da an der Tür? - Klar ist das meine, wessen sonst? Bring sie mit ans Feuer, ja? Denn manchmal - ja manchmal reißen die Wolken hier auf und dann kann ich auch anders. - Dann kann ich singen und lachen und tanzen und kochen. Dann hab ich das Haus voller Besuch und den Kopf voller Pläne. Dann will ich segeln und wandern. Baden im März und grillen im Dezember. Ich will mit dem Fahrrad nach Island und zum Elbeschwimmen nach Rathen. Will den Pazifik sehen und die Kegelrobben in Helgoland. Ich will Lagerfeuer machen und Straßenmusik, will nochmal studieren und Kunstprojekte machen. Will Bücher schreiben und Hypnose erlernen. Will Rotwein trinken und Picknick machen, Tiere beobachten und wandern, will träumen und und und und und...

 

Und ich höre die Stimmen, die sagen, "Hey cool, Ugin, siehst Du, es GEHT DOCH. Hattest Du Dir nur eingeredet, jetzt lass mal dies grau in grau und dann kannst anfangen mit Deinen Plänen..." und ich denke das sie bestimmt recht haben und wir doch eigentlich... und während ich das noch denke, da wird alles leiser und grauer und der Nebel dämpft ihre Stimmen bis ich nicht mehr weiß woher sie kommen und nur noch "Beweg Deinen Hintern und TU irgendwas konstruktives!!!" höre - und eben nicht weiß was...

 

Seltsam im Nebel zu wandern...

 

 

Ich grüße jeden einzelnen Leser aufs herzlichste. Vielleicht mögt Ihr irgendwann, irgendwo einen Kommentar hinterlassen. Er muss nicht toll, spektakulär oder sonstwas sein. - Darum geht es mir ja. Um den Versuch NICHT spektakulär zu sein. Sondern grau, langweilig, nebelig und... ach ja... und ich.